Mit einer Demonstration zur Dortmunder Stelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beendeten Geflüchtete nach über sieben Wochen am 31. Juli ihr Protestcamp in Dortmund. Sie hatten für eine schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge demonstriert, um ihre Familien schnell aus Kriegsgebieten nach Deutschland holen zu dürfen. Begonnen hatte das Protestcamp mit der Versammlung einer Gruppe von hauptsächlich aus Syrien geflüchteten Menschen vor der Dortmunder Stelle des BAMF am 9. Juni. Von Anfang an erfuhren sie Unterstützung aus breiten Bereichen der Dortmunder Zivilgesellschaft. Lokale und überregionale Medien berichteten nahezu kontinuierlich positiv über den Protest. Auch die Polizei bemühte sich, die Menschen im Camp vor Neonazis zu schützen, auch wenn sie am letzten Tag des Camps selbst gegen die Protestierenden vorging. Das BAMF hingegen bezog von Anfang an klar Stellung gegen den Protest, wies jegliche Verantwortung von sich und machte Geflüchtete aus dem Kosovo für den Tod der Familienangehörigen in Syrien verantwortlich. Die Geflüchteten aus dem Kosovo würden dafür sorgen, dass das BAMF Anträge nicht schnell bearbeiten kann, weil zunächst die Anträge der Geflüchteten aus dem Kosovo bearbeitet werden müssten. Klar ist dabei: Mit „Bearbeiten“ ist massenhaftes Ablehnen gemeint. Dies ist eine zutiefst menschenverachtende Argumentation, die jedoch die Position der deutschen Regierung widerspiegelt und jeglicher Menschlichkeit entbehrt. Es wird versucht, die Kategorien „richtige“ und „falsche“ Geflüchtete zu konstruieren. Wir lehnen dies ab, denn jeder Fluchtgrund ist legitim. Jeder Mensch soll leben können, wo er*sie möchte!
Später wechselte das Protestcamp von seiner isolierten Lage in einem Industriegebiet in die Innenstadt auf die Katharinenstraße vor den Hauptbahnhof. Dort wurden Passant*innen zwangsweise mit dem Protest der Geflüchteten konfrontiert. In dieser Zeit wuchs die Zahl der Protestierenden und die Solidarität, die sie erfuhren, weiter an. Die ersten Protestierenden bekamen einen Aufenthaltstitel oder die Ankündigung der Abschiebung. Besonders belastend waren die Nachrichten der ersten Toten von Angehörigen aus Syrien. Verschiedene Lokal- und Landespolitiker*innen bezogen positiv Stellung zu dem Protestcamp. Vor dem BAMF hatte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion noch empfohlen, den Protest so schnell wie möglich zu beenden. Jetzt versprach selbst ein CDU-Abgeordneter, sich für die Forderungen der Geflüchteten auf Bundesebene stark zumachen. Der Stadtrat beschloss eine „Resolution zur Unterstützung des Protestes syrischer Flüchtlinge“, jedoch ohne auf kommunaler Ebene aktiv zu werden. Vielmehr war es ein symbolischer Akt, der Forderungen an Landes- und Bundesregierung richtete. Es waren folgenlose Lippenbekenntnisse, wie alle Versprechungen, die aus den Gremien von Stadt und Land abgegeben wurden. Nicht ein einziges Verfahren wurde durch den Protest beschleunigt, keine Familie erhielt schneller die Erlaubnis, nach Deutschland einzureisen. Was bleibt, ist der starke, bleibende Eindruck der Protestierenden in der Stadtöffentlichkeit. Das Verständnis für die Situation von Geflüchteten wurde gestärkt und die Folgen der deutschen und europäischen Geflüchtetenpolitik sichtbarer gemacht. Vor allem aber war das Camp ein Akt der Selbstermächtigung von Geflüchteten, die sich erfolgreich gegen politische Vereinnahmung des Staates und zu starker Einflussnahme der Unterstützer*innen behauptete.
Zwar wurde das Protestcamp abgebaut, zu Ende ist der Protest jedoch nicht. Es wurde bereits angekündigt, nach einer kurzen Pause mit dem Protestcamp nach Berlin zu ziehen. Bisher waren Einzelschicksale der Menschen im Protestcamp ausschlaggebend für ihre Kritik und die Forderungen. Vielleicht geht mit dem Wechsel des Ortes auch eine systematischere Kritik und Bezugnahme auf andere Geflüchtete im Protestcamp einher. Wir würden dies sehr begrüßen. Schon jetzt kann der Protest in seiner Form ein Vorbild für andere Menschen sein, die sich auch nicht einfach als Belastung einer deutschen Bevölkerung einstufen lassen wollen und als zweitklassige Menschen auf die Gnade eines Aufenthaltstitels hoffen wollen. Und so einfach und menschlich die Forderungen der Menschen im Protestcamp waren, so radikal waren sie doch gegen eine deutsche und europäische Geflüchtetenpolitik, die nicht auf den Erhalt von Leben aus ist, sondern auf der Abschottung und Bewertung menschlichen Lebens beruht. Ein Bewertung die auf der Herkunft der Menschen beruht.
Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und bleiben solidarisch.
Solidarität mit allen Geflüchteten! Bewegungsfreiheit für alle!