Dortmund „Sicherer Hafen“? Endstation Abschiebeknast Büren

Ein Beitrag von Refugees Welcome Dortmund und der Initiative „Abschiebehaft abschaffen!“

In einem Waldstück in Ostwestfalen-Lippe liegt weit ab vom Städtchen Büren, im Kreis Paderborn ein Gefängnis. Ein Gefängnis, in dem Menschen eingesperrt werden, ohne dass sie sich einer Straftat schuldig gemacht hätten. Ohne Prozess. In Deutschland unmöglich? Nein,  nach deutschem Recht sogar völlig legal[1]. Und es ist nicht der Einzige dieser Orte. Derzeit existieren 13 Abschiebe Knäste in Deutschland, fünf weitere sind in Planung, Büren ist nur einer von ihnen – und zuständig für NRW. Hierhin werden auch Menschen aus Dortmund gebracht, wenn Behörden willkürlich entscheiden, dass ein Mensch sich bei einer bevorstehenden Abschiebung dieser widersetzen würde. Auf welcher Grundlage? Oftmals auf keiner[2]. Was das bedeutet? Menschen, die sich keines Verbrechens schuldig gemacht haben, werden zur Durchführung eines Verwaltungsaktes und zur Erleichterung der Behörden ihrer Freiheit und Rechte beraubt – und das bis zu 1,5 Jahre VOR einer Abschiebung (das ist dreimal länger als die maximal zulässige Dauer von Untersuchungshaft, selbst bei schweren Straftaten). Auf der Grundlage eines Gesetzes, dass nur für diejenigen Gültigkeit besitzt, die keine deutschen Staatsbüger*innen und keine EU Bürger*innen sind. Bis zu 1,5 Jahre Knast und Abschiebung in unwürdige, unsichere Verhältnisse. Dortmund, sicherer Hafen?

Am 23. Mai 2019 erklärte sich die Kommune Dortmund zum „Sicheren Hafen“. Sie will Teil einer „starke[n] Gegenstimme zur Abschottungspolitik der Bundesregierung“ (https://seebruecke.org/sichere-haefen/ueberblick/) sein und sich mit anderen ‚Sicheren Häfen‘ „[v]on rein symbolhaften Erklärungen und Vorschlägen […] bewusst [distanzieren]“ (Stadt Dortmund 2020). Im krassen Gegensatz hierzu steht der ungebrochene Abschiebekonsens, der auch durch die Stadt Dortmund getragen und vorangetrieben wird.

Die Stadt Dortmund führte im Jahr 2018 90 Abschiebungen durch, weitere 101 Abschiebeversuche wurden unternommen (vgl. WDR 2019). Auch als logistischer Drehpunkt für Abschiebungen steigt Dortmunds Bedeutung: im Jahr 2019 wurden bereits 10 Abschiebungen über den Flughafen Dortmund dokumentiert, während 2018 nur zwei und  in den Vorjahren keine stattfanden. Zeitgleich fanden im Jahr 2019 254 Zurückweisungen auf dem Luftweg am Dortmunder Flughafen statt (Deutscher Bundestag 2020, Drucksache 19/18201). Besonders Perfide: die Stadt Dortmund kaufte im Jahr 2017 drei neue Transporter zur Durchführung von Abschiebungen, die sie „Rückführungsmanagement“ nennt, aus Mitteln, die Ursprünglich für die Finanzierung von Unterkünften für geflüchtete Menschen vorgesehen waren (Ruhrnachrichten 2017). Im Jahr 2016 berichtet die kommunale Ausländerbehörde der Stadt Dortmund gar, dass „Unangekündigte Abschiebungen aus Sammelunterkünften […] bei anderen Ausreisepflichtigen auch ein Nachdenken über eine freiwillige Ausreise fördern [können].“ (Stadt Dortmund 2016, Drucksache Nr.: 03404-16)

„Laut und medienwirksam“? Ja.
„Gegenstimme zur Abschottungspolitik“? Sicherlich nicht.

In Dortmund gewähren mehrere Kirchengemeinden aller Konfessionen Kirchenasyl, um der völligen Entrechtung geflüchteter Menschen etwas entgegen zu setzen und wenigstens einige wenige zu schützen.

Die einmalige Aufnahme von 20 bis 30 geflüchteten Menschen zusätzlich aus griechischen Flüchtlingscamps sagte die Stadt im Januar 2020 im Rahmen der Initiative „Sicherer Hafen“ zu (Stadt Dortmund 2020). Diese lächerlich geringe Zahl ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern unterstreicht insbesondere, dass es wenig Bereitschaft gibt, das immense Leiden zu lindern und das Sterben im Mittelmeer und die Verelendung in den Lagern zu beenden. Zumal diese Ankündigung – mit Verweis auf die Entscheidungsbefugnisse der Bundesregierung – bis zum heutigen Tag  nicht umgesetzt wurde. Eine bewusste Distanzierung von symbolhaften Erklärungen und Vorschlägen? Eher das genaue Gegenteil.

Neben der Aufnahme einer relevanten Zahl von fliehenden und geflüchteten Menschen, könnten sich Kommunen – auch ohne Billigung der Bundesregierung – entschieden gegen die entmenschlichte Praxis der Abschiebungen und Abschiebeknäste stellen! Alleine der Verzicht der Inhaftierung „ausreisepflichtiger“ Menschen wäre ein starkes Signal – mit wenig Aufwand.

Konkrete Zahlen darüber, wie viele Menschen aus Dortmund in Büren landen sind kaum zu bekommen.  Es gibt wenig Interesse, wenig Empörung aber auch wenig Wissen über die Situation von Menschen, denen die Freiheit durch Abschiebehaft entzogen wird. Abschiebungen und Abschiebehaft sind ein System der Entrechtung, das durch Schweigen, Wegschauen, fehlende Informationen und Transparenz möglich wird.

Nur eine der zur Wahl stehenden Parteien spricht sich auf Landesebene gegen Abschiebeknäste aus, es gibt kein reales Interesse in der deutschen Parteienlandschaft, an der aktuellen Situation etwas zu ändern. Der staatliche Abschiebekonsens wird und wurde bisher noch von jeder Partei mitgetragen, die in der BRD Regierungsverantwortung übernahm!

Für die Abschaffung rassistischer Sondergesetzgebung!

Macht die Knäste dicht, Abschiebehaft abschaffen!

Bürendemo gegen Abschiebehaft

  1. August 2020 12:00 – 15:45

Key to Humanity – Grenzen öffnen! Abschiebeknäste schließen!

Demonstration gegen Abschiebehaft 29.08.2020 12:00 Uhr in Paderborn am Westerntor/ Herz-Jesu-Kirche

[1] Das deutsche Aufenthaltsgesetz sieht eine richterliche Anordnung der Haft (Haftbeschluss) vor

[2] Die Quote der durch ein Gericht für rechtswidrig befundenen Inhaftierungen liegt bundesweit seit Jahren relativ stabil bei ca. 50% (vgl. Zeit online 2019).

 

Quellen:

Deutscher Bundestag (2020): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der 
Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn ,Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und 
der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 19/17096 –Abschiebungen und Ausreisen 2019, 
online: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/182/1918201.pdf

Ruhrnachrichten (2017): „Dortmund schafft drei Transporter für Abschiebungen an“, 
online: 
https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/dortmund-schafft-drei-transporter-fuer-abschiebungen-an-plus-1222278.html

Seebrücke.org (o.J.): Kommunen auf dem Weg zum Sicheren Hafen, online: 
https://seebruecke.org/sichere-haefen/ueberblick/




Stadt Dortmund (2016): Handlungsfeld Flüchtlinge - Sachstandsbericht - Rückblick 2015 / Ausblick, Drucksache-Nr. 03404-16, online: https://dosys01.digistadtdo.de/dosys/gremrech.nsf/%28embAttOrg%29/78E0C03C18B1D2D7C1257F4D00509218/$FILE/VorlageVG%2303404-16.doc.pdf?OpenElement

Stadt Dortmund (2020): „Sicherer Hafen. Stadt nimmt 20 bis 30 Menschen aus griechischen Flüchtlingscamps auf“, online: https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/nachrichtenportal/alle_nachrichten/nachricht.jsp?nid=618841

Mediendienst Integration (2019): „Erzwungene Ausreisen - Experten kritisieren die Abschiebehaft“, online: https://mediendienst-integration.de/artikel/experten-kritisieren-die-abschiebehaft.html

WDR (2019): „NRW-Kommunen scheitern oft bei Abschiebungen“, online:  https://www1.wdr.de/nachrichten/gescheiterte-abschiebungen-nrw-100.html

Zeit online (2019): „Eingesperrt ohne Straftat: So sind die Bedingungen in einem Abschiebegefängnis“,  online: https://ze.tt/eingesperrt-ohne-straftat-so-sind-die-bedingungen-in-einem-abschiebegefaengnis/




Abschiebehaft konkret:
Zu Beginn der Inhaftierung in Büren findet eine Körperhöhlendurchsuchung statt, 
die Menschen müssen sich hierfür in Beisein mehrerer Mitarbeiter des Abschiebeknasts 
komplett entkleiden. Die Gefangenen sind in Einzelzellen untergebracht. In den Zellen
der meisten Insassen befinden sich Tisch, Bett, Fernseher, Schrank, Stuhl, Toilette,
Waschbecken. Die Verpflegung wird in Büren von  den Gefangenen als unzureichend 
beschrieben, das Abendessen wird aufgrund von Personalmangel bereits mittags mit 
ausgeteilt. In den Vormittagsstunden sind die Menschen in ihren Zellen eingesperrt, 
ein Teil kann sich in spezielle Zellen einsperren lassen. Nachmittags findet der 
Aufschluss statt (in NRW sind acht Stunden vorgesehen), andere Menschen können in 
den Zellen besucht werden, freie Bewegung auf den Fluren ist möglich. Für ein bis 
zwei Stunden wird der Hof aufgeschlossen.
Gefangene, die gegen die Hausordnung verstoßen haben oder die psychisch erkrankt 
sind werden auf die Station 1b-neu verlegt. Stufe 1 der Unterbringung auf Station 
1b-neu isoliert die betroffenen Menschen von allen anderen Gefangenen. Stufe zwei 
beinhaltet Isolation, Entzug der Freizeitbeschäftigung, Tag und Nacht 15-minütige 
Kontrollen. Stufe drei ist der besonders gesicherte Haftraum. Dort gibt es eine 
Schaumstoffmatratze und -sessel, eine Toilettenanlage, bei der sich die Spülung 
außerhalb der Zelle befindet, zwei Videokameras und kein Fenster. Stufe vier dient 
zum angeblichen Schutz vor erheblicher Selbst- und Fremdgefährdung, also einem 
Zustand,  in dem jemand eigentlich dringend in ein Krankenhaus oder die Psychiatrie 
sollte. Dort gibt es einen Holzrahmen in der Zelle, an dem die Inhaftierten 
fünfpunktfixiert werden.

Besonders perfide: Die Kosten für die Abschiebehaft (z.Zt. in Büren ca. 278,-) 
werden den Menschen in Rechnung gestellt.