Die Gruppe|The group|Le groupe

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Selbstverständnis

Die Verhältnisse
Die Gruppe „Refugees Welcome Dortmund“ hat sich zum ersten Mal im Oktober 2013 zusammengefunden. Am 3. Oktober ertranken über 500 Geflüchtete aus Somalia und Eritrea vor der Küste Lampedusas. Als „Lampedusa-Bootsunglück“ hat dieses Ereignis in den Medien große Aufmerksamkeit erhalten, weil es die tödliche Politik an Europas Außengrenzen so sehr verdeutlichte. Diese Ereignisse sind nicht einmalig, tagtäglich sterben dutzende von Menschen auf ihren (Flucht)Wegen nach Europa. Und Europa ist so sehr bemüht die Grenze zu schützen – mit einem hochtechnologisierten System der Grenzüberwachung (EUROSUR), mit Drohnen und Satellitensuchsystemen, mit der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, mit der Polizei, der Küstenwache und der Marine und mit vielen mehr… Europa schottet sich ab, Zutritt wird nur denjenigen gewährt, die hochqualifiziert sind und aufgrund des Fachkräftemangels für beispielsweise den Standort Deutschland nützlich erscheinen.

Nicht nur die inner- und außereuropäische Grenzpolitik und die nationalstaatliche Flüchtlingspolitik wird von vielen Aktivist*innen, linken und antirassistischen Initiativen, Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen und natürlich von den Refugees selbst kritisiert und radikal in Frage gestellt. Für den deutschen Staat gelten sie als „Asylbewerber*innen“ und „Geduldete“, nicht mal der Status eines “Flüchtlings” wird vielen zuerkannt. Diese Klassifikation führt zu einer Hierarchisierung, die die Reflexion der eigenen Privilegien außen vor lässt und eine Ungleichbehandlung zwischen Menschen anhand des Konstruktes von Nationalstaaten und Staatsbürger*innenschaft legitimiert. Die restriktive Asylpolitik, die Unterbringung in Lagern, die Residenzpflicht, Vorenthaltung der medizinischen (Grund)Versorgung, das Arbeitsverbot und die massiven Auflagen für die Aufnahme einer Beschäftigung und das Aufenthalts- und Asylgesetz selbst sind unerträgliche Zustände. Schikanen der Polizei gegenüber Geflüchteten und das anhaltende racial profiling unterstreichen dies eindrücklich. Und nicht zu vergessen der deutsche Mob, der rassistische Anschläge und gewalttätige Übergriffe verübt oder auch der ganz alltägliche Rassismus, der Geflüchteten und Migrant*innen von (feindseligen) Bürger*innen entgegenschlägt und als solcher oftmals gesellschaftlich nicht erkannt wird. Die rassistische Mobilisierung, Stimmungsmache und Gewalt gegen Geflüchtete ist, wie immer, erschreckend: Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, Kundgebungen und Proteste gegen Geflüchtete, wie in Berlin-Hellersdorf, oder die Rassist*innen von Pegida und ähnliche Gruppierungen. Statistisch gesehen hat es in Deutschland im Jahr 2014 jeden Tag eine Kundgebung gegen Geflüchtete gegeben.

Gegen die Unzumutbarkeiten dieses Systems wehren sich Geflüchtete seit einigen Jahren wieder vermehrt – zumindest ist ihr Protest seit dem Hungerstreik in Würzburg 2012 wieder in der öffentlichen Wahrnehmung. Selbstorganisiert fordern sie, dass ihre Anträge auf Asyl anerkannt werden und Abschiebungen gestoppt werden, kämpfen gegen Lagerpflicht und für globale Bewegungsfreiheit. Die Geflüchteten erfahren Solidarität, die sich nicht nur auf eine „linke Szene“ beschränkt, auch Teile der Mehrheitsgesellschaft zeigen sich solidarisch. Vor allem in Großstädten gibt es Solidaritätsbekundungen, Demonstrationen und Proteste gegen die repressive Asylpolitik.

Die Gruppe
Vor diesem Hintergrund hat sich die Gruppe Refugees Welcome Dortmund gegründet, um auf lokaler Ebene antirassistische Politik zu machen und zu stärken. Eine Debatte à la “das Boot ist voll” und wieder mal komme ein „Flüchtlingsstrom“ nach Dortmund, mit dem die Stadt „überfordert“ sei, nehmen wir nicht weiter hin. Jeder Mensch soll leben, wo mensch es will. Ohne Repression, Diskriminierung, Schikane und Abschiebung. Wir sind solidarisch mit den Geflüchteten und ihren Forderungen. Wir verfolgen keinen karitativen oder fürsorglichen Ansatz, auch wenn wir auf praktischer Ebene Geflüchtete unterstützen wollen. Dabei wollen wir die Isolation durchbrechen und die Anliegen der Geflüchteten, die sie selbst fordern, unterstützen und einen Punkt für gemeinsame politische Organisierung und gemeinsame Kämpfe finden. Wir möchten Möglichkeiten für Austausch schaffen, und Orte, an denen wir uns ungezwungen treffen können. Wir verstehen uns als Gruppe, die die alltäglichen Kämpfe gegen Rassismus unterstützt und für ein solidarisches Miteinander eintritt. Dabei ist uns durchaus bewusst, dass viele von uns staatsbürgerliche Rechte genießen und bei vielen Fragen, mit denen Geflüchtete tagtäglich zu tun haben, nur bedingt mitreden können. Aber wir wollen auch nicht in einer Gesellschaft leben, die so mit Menschen umgeht, wie sie es jetzt tut. Ganz allgemein, ganz grundsätzlich. Das schöne Leben ist anders. Auch das ist eine Motivation von uns.

Mit dem Café Welcome haben wir den Versuch unternommen, einen ungezwungenen Ort in Dortmund zu schaffen. In unserem Alltag haben wir enge Kontakte zu Geflüchteten, mit denen wir die aktuelle Situation vor Ort diskutieren und nach Wegen suchen, gemeinsamen Anliegen und Forderungen Ausdruck zu verleihen. Dies geht bereits weit über die Unterstützung bei Behördengängen und der Bewältigung des bürokratischen Irrsinns hinaus. Unser Verständnis eines solidarischen Miteinanders beinhaltet die Auseinandersetzung und Reflexion mit rassistischen, nationalistischen und sexistischen Einstellungen und Verhaltensweisen, die wir grundsätzlich ablehnen. Auch unsere eigene Praxis versuchen wir danach auszurichten. Unser Anspruch ist dabei konsensbasiert und ohne Hierarchien zusammen zu arbeiten.

Mit unserer Gruppe können wir nichts an den Ursachen von Flucht ändern. Kritisieren können wir diese Verhältnisse allemal. In dem Wissen, dass grundlegende Veränderungen erst in kollektiven Kämpfen erstritten werden können, wollen wir doch zumindest Erleichterungen und bessere Lebensbedingungen der Menschen auf die Tagesordnung setzen und für einen antirassistischen Diskurs einstehen.

Wir lehnen jede Form von kapitalistischer Verwertungslogik ab, die Menschen in nützlich und unnütz unterscheidet!
Wir stehen für die Schließung aller Lager und für menschenwürdige Unterbringung ein!
Wir erklären uns solidarisch mit Geflüchteten!
Globale Bewegungsfreiheit für alle! No borders, no nation!
Kein Mensch ist illegal! Refugees Welcome!

Dortmund, Januar 2015

 

Self conception

Circumstances

In October 2013 the group “refugees welcome“ met for the first time. On October 3 more than 500 refugees from Somalia and Eritrea drowned off Lampedusa. As “Lampedusa boat- wreck” it attracted great media attention, for this incident clearly stated the deadly policies at Europe’s external borders. It was no one-time incident, every day dozens of people die on their (escape) route to Europe. And Europe is so very anxious to protect the borders – with a high-tech border surveillance system (EUROSURE), drones and satellite-based search systems, with FRONTEX the border protection agency of the European Union, police, coastguard, marine and many more…Europe shuts itself off, access is only granted to high qualified professionals who appear to be useful e.g. for the location Germany which is suffering from skill shortages.

It is not only the European and non-European frontier policy and the nation-state-based refugee policy which is criticized and radically questioned by many activists and anti-racist initiatives, refugee- and human right organizations and of course by the refugees themselves. The German state classifies them as “asylum seekers” and “tolerated foreigners”, and does not even grant them a “refugee” status. This classification creates a hierarchical system which excludes the reflection of the own privileges and legitimizes an unequal treatment of people, based on the construct of nation states and citizenship. The restrictive asylum policy, accommodation in camps, residency requirement, withholding of (basic) healthcare, ban on working and the stringent requirements concerning taking up an employment as well as the residence and asylum law as such are intolerable conditions. This is particularly evident with regard to harassment of the police against refugees and a persistent racial profiling and, not to be forgotten, the German mob perpetrating racist and violent attacks as well as the everyday racism of hostile citizens against refugees and migrants which is often not recognized as such within society. Racist mobilization, cheap propaganda and violence against refugees are, however it turns out, really frightening: incendiary attacks against refugee accommodations, manifestations and protests against refugees, as e.g. in Berlin-Hellersdorf or the Pegida racists and similar groups. Statistically seen there has been one manifestation against refugees per day in Germany during the year 2014.

For several years refugees have increasingly started to defend themselves against the unacceptability of this system – at least their protest is in the public’s perception since the hunger strike in Würzburg of 2012. Self-organized they claim the recognition of their applications for asylum and a ban on deporting, fight against accommodation in camps and for a global right of movement. The refugees experience solidarity which is not limited to a “left scene”, also members of the majority society show their solidarity. Above all in big cities there are expressions of solidarity, demonstrations and protests against the repressive asylum policy.

The Group

Against this background the group “refugees welcome” was founded for doing antiracial politics on a local level and for strengthening it. We do no longer accept a debate according to the principle “the boat is full” or “an influx of refugees” allegedly coming to Dortmund “overcharging” the city. All people should be able to live where they want to live; without repression, discrimination, harassment and deportation. We declare our solidarity with the refugees and their demands. We do not follow any charitable or welfare approaches although we want to support refugees on a practical level. In doing so we want to break the isolation and support the concerns expressed by the refugees, find a point for joint political organization and fights. We want to create opportunities for exchange and find places where we can meet informally. We see ourselves as a group that supports the daily fights against racism and advocates togetherness and solidarity. In doing so we are definitely aware of the fact that many of us enjoy full rights of citizens and that we are just partly able to have a say concerning many issues refugees have to deal with in their everyday life. But we do not want to live in a society where people are treated as they are treated now. In general and in principle. That is not the good life. This is not the good life. This is also part of our motivation. The Café Welcome is an attempt to create a place in Dortmund for meeting in an informal atmosphere. In our everyday life we maintain close contacts with refugees with whom we discuss the current local situation and try to find ways to express joint concerns and demands. This is far more than a support with administrative formalities and coping of the bureaucratic madness. Our understanding of joint interaction includes the discussion on and reflection of racist, nationalist and sexist attitudes and behavior which we reject in principle.We also try to adjust our practice accordingly and endeavor a consensus-based working together without hierarchical structures.

We cannot tackle the root causes of flight with our group. But we can always criticize these conditions. In the knowledge that fundamental changes can only be achieved in collective struggles we want at least put facilitations and improved living conditions for the people on the agenda and we want to stand up for an antiracist discourse.

We categorically reject all forms of capitalist exploitation logic discriminating between useful and useless people! We stand up for the closure of all camps and for decent accommodation! We express our solidarity with refugees! Freedom of movement for all! No borders, no nation! No one is illegal! Refugees Welcome!